MANIFEST english |
Paid Leave oder Manifest
für die Kunst des Nichtstuns Die Kunst ist keine Frage der Technik. Der Kunst sind die Mittel der Kunstproduktion gleichgültig. Die Kunst ist Konzept. Die Kunst ist Nichtstun. Alle früheren Zeiten kannten eine aktiven und einen passiven Zustand, eine vita activa und eine vita contemplativa. Rumwerkeln und Besinnung. Krieger und Mönch. Politiker und Philosoph. Ja, die ganze digitale Revolution schuldet alles dem Handeln und Ruhen, dem An und Aus der 1 und der 0. Doch wir haben den Antagonismus instrumentalisiert, auf Platinen gezogen und im globalkapitalen Dauerhandeln vergessen worauf unser Handy und PDA basiert. Wir sind hyperaktiv und versuchen im Wellness-Spektakel unserer Freizeit bei östlicher Teezeremonie und Meditationsgehampel die Amnesie zu überwinden. Und da blickt uns Marcel Duchamp tröstend in die Augen, zwinkert uns zu und macht den nächsten Schachzug. Es ist egal, dass Marcel die ready-mades erfand und damit den Kunstbegriff bis zur Auflösung erweiterte, egal, dass er durch inflationären Pseudonymgebrauch das Künstlersubjekt bis zur Auflösung schizofrenierte. Marcel ist wichtig weil er Schach spielte und alle dachten, das hat etwas mit Kunst zu tun. Marcel hörte auf Kunst zu produzieren und wurde so, inaktiv, zum ersten Konzeptkünstler. Und während Joseph Beuys noch stöhnt: "das Schweigen des Marcel Duchamps wird überbewertet" erklären wir dem Schamanen, dass alle Künstler Heiler sind. Denn, wenn Kunst in der Hinwendung zum Konzept dem daueraktiven Gesellschaftsspektakel ganz entspannt die Luft raus lässt und die verlorene Zeit zurückerinnert, wird sie gleichsam zum Dr. Freud des Chronos-Komplexes. So wie Chronos seine Kinder frisst, verschlingt die kapitalistische Vollzeitmaschinerie mit ihrer Hollywoodisierung noch den letzten Rest von wirklich "freier" Zeit. Selbst die Erinnerung daran scheint verdrängt und verloren. Und so verbleibt nur das konzeptuelle Nichtstun des Künstlers als heilende Rettung aus dem alltäglichen zeitverschlingenden Mahlstrom. Wenn Adorno das Aufscheinen der Utopie einzig in der Negation des Bestehenden sieht, so stellt der freie Künstler dem ubiquitären Konsum- und Arbeitszwang seine freie Zeit entgegen. Doch, wie Dr. Freud erkannte, ist nur die bezahlte Therapie die wirksame. Und so verlangen wir Künstler zum heilenden Wohle der frei-zeitlosen Gesellschaft, die Bezahlung unseres konzeptuellen Nichtstuns. Wir fordern: · Mindestlohn für künstlerische Freizeit · bezahlten Urlaub · Umsetzung von Gustav Metzgers Internierungsidee für arbeitssüchtige Künstler · Galeriefreie Samstage · Verbot von Komposita wie "Software-Kunst" (das ist Kunsthandwerk und irreführend) · Aufwertung der Null Denkt frei, nehmt euch frei, seid frei! |